Am 25. Mai war im Kurier in der Serie Finanzwissen, einer Kooperation mit dem Bundesministerium für Finanzen, zu lesen, dass das Thema Altersarmut von Frauen auf deren mangelndes Finanzwissen zurückzuführen ist. Da wird einiges ordentlich durcheinandergebracht. Es wird zwar sehr richtig angeführt, dass die Ehe als Altersvorsorge ausgedient hat und dass die Errungenschaften von Teilzeitarbeit und Karenzzeiten dazu führen, dass trotz durchgängiger Berufstätigkeit von Frauen, ihr daraus resultierendes niedrigeres Einkommen zu einer geringen Pension und zu Altersarmut führen. Wie eine bessere finanzielle Bildung von Frauen allerdings daran etwas ändern soll, ist aber nicht wirklich schlüssig nachvollziehbar. Denn wenn man nichts zu veranlagen hat, hilft auch da s beste Finanzwissen nichts. Solange die unbezahlte Versorgungs und Sorgearbeit noch immer vorwiegend Frauenarbeit ist, wird sich an den
unterschiedlichen Einkommensverhältnissen nichts ändern.

Solange es die Normalarbeitszeit nicht zulässt, dass sich Frauen und Männer die uns alle am Leben erhaltende CareArbeit teilen können, hilft das beste Finanzwissen nichts.
Solange es keine politischen Rahmenbedingungen für volle Berufstätigkeit von Eltern und pflegenden Angehörigen gibt, bleibt die Verantwortung dafür vorwiegend bei den Frauen.
Solange auch die bezahlte CareArbeit nicht ihrer Belastung entsprechend abgegolten wird, ist Altersarmut der Preis dafür, dass vorwiegend Frauen jene Arbeiten verrichten, die die Grundlage allen Wirtschaftens und einer lebenswerten Gesellschaft sind.
Um die, für die gerade in der derzeitigen weitreichenden Krise nötigen Weichen für die Zukunft zu stellen, braucht es kein spezielles , enggeführtes Finanzwissen für Frauen. Sondern ein breites ökonomisches Verständnis für Frauen und Männer, das sie ermächtigt zukunftsfähig zu wirtschaften, ist von Nöten. Dazu haben vor allem feministische Ökonominnen seit Jahrzehnten geforscht. Diese Forschungsergebnisse sollte man in Schulen und Erwachsenenbildungseinrichtungen nutzbar machen.
Dass Frauen weniger gut wirtschaften können als Männer, lässt sich nämlich in keiner Weise belegen. Sie sind zumeist für die Alltagsökonomie, also der Versorgung mit dem Lebensnotwendigen, zuständig, die ja wie die Pandemie wieder einmal gezeigt hat die tragende Säule in Krisenzeiten ist. Frauen sind
allerdings in Gelddingen weniger risikofreudig, verschulden sich weniger leichtfertig und sind, was undurchsichtige Finanzprodukte betrifft, vorsichtiger. Ihnen deshalb weniger Wissen als den Männern zu unterstellen, ist allerdings gewagt. War doch die Finanzkrise 2008 mit all ihren Verantwortungslosigkeiten überwiegend eine Angelegenheit von Männern, die das System nicht durchschaut, aber dennoch investiert haben. Dass Wirecard an den Börsen höher notierte als die Deutsche Bank, wirft auch kein überzeugendes Licht auf die ach so gebildeten Finanzprofis.

Die Bereichsleiterin der Wertpapieraufsicht der Finanzaufsicht sagt es ganz richtig: Frauen haben weniger „Selbstvertrauen“, um sich am Finanzmarkt zu engagieren, sie sind aber auch seltener Opfer von Anlagebetrügereien, ja sie springen in die Bresche, wenn Männer und Söhne Opfer solcher Betrüger werden. Dennoch sieht sie mangelnde Finanzbildung als Ursache von Frauenarmut und spricht sich für ein eigenes Fach Finanzbildung in den Lehrplänen aus.

Auch wir sind der Meinung, dass sich Menschen in Gelddingen auskennen sollen. Dazu braucht es aber kein eigenes Schulfach, das sollte fächerübergreifend in Mathematik über Wirtschaftskunde bis zu Deutsch thematisiert werden. Auch sollte Erwachsenenbildungsorganisationen mehr Mittel in die Hand gegeben werden, damit sie den verantwortungsvollen Umgang mit Geld und Wissen über wirtschaftliche Zusammenhänge zu einem Schwerpunkt ihrer Programme machen können. Dem verantwortungsvollen Umgang mit Geld stehen nämlich andere, viel wirksamere Meinungsbildner gegenüber. Den Heilsversprechen der Werbung z.B. für Glücksspiel auch im öffentlichrechtlichen Rundfunk kann nur mittels Bildung Paroli geboten werden. Aber ist das im Interesse derer, die Finanzbildung propagieren? Verantwortungsvolles Wirtschaften gehört zu den Grundfertigkeiten, die wir alle brauchen. Was Aktien sind, was Anleihen, wie das BIP berechnet wird, wie ich meine Steuererklärung mache und dass weder das Handy gratis ist, noch die Bank mir was schenkt, darüber sollten wir Bescheid wissen. Was wir nicht brauchen, ist von ökonomischen Zusammenhängen abgelöstes Wissen über gefinkelte „Finanzprodukte“ und das Einüben in Börsenspekulation, wie es manche von Banken finanzierte ComputerProgramme für Schulen vermitteln.

Zur Autorin: Traude Novy ist Erwachsenenbildnerin, seit vielen Jahren in der Katholischen Frauenbewegung und WIDE (Entwicklungspolitisches Netzwerk für Frauenrechte und feministische Perspektiven) engagiert und aktuell Obfrau des Vereins JOAN ROBINSON (Verein zur Förderung frauengerechter Verteilung ökonomischen Wissens).

Unterstützt von der Arbeitsgruppe Frauen der Armutskonferenz, Verein JOAN ROBINSON und Arbeitsgruppe Frauen und Wirtschaft von WIDE