Text von Katharina Mader, erschienen in „ZeitZeichen“, Magazin der Katholischen Arbeitnehmer*innenbewegung Österreich, 1/2021
„Wir sitzen alle im gleichen Boot“, „das Virus trifft uns alle gleich“ – diese Sätze haben wir im letzten knappen Jahr oft gehört. Mittlerweile wird etwas differenzierter mit diesen Verallgemeinerungen umgegangen. Denn wir haben gesehen: die Gesundheitskrise trifft Alte und Ältere schwerer, dabei scheint die Sterblichkeit von Männern höher als jene von Frauen. Die geschlossenen Schulen hingegen treffen die Jugend und hier diejenigen, die sich nicht auf die Bildung ihrer Eltern verlassen können. Denn wir wissen aus Nicht-Krisenzeiten: Bildung wird in Österreich massiv vererbt. Das oberste Einkommensfünftel war im ersten Lockdown zu über 90% im Home-Office, während das untere Einkommensfünftel de facto keine Möglichkeit dazu hatte und in den systemrelevanten Berufen die Versorgung aufrechterhielt. Diese Menschen waren und sind also einem deutlich höheren Gesundheitsrisiko ausgesetzt. Und auch Arbeitslosigkeit trifft uns nach Bildung und Einkommen deutlich unterschiedlich. Wir sind also bei weitem nicht alle gleich betroffen von dieser Krise. Diese Krise wirkt vielmehr wie ein Vergrößerungsglas und zeigt all jene Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten auf, die schon vorher vorhanden waren und die wir nicht gesehen haben oder nicht sehen wollten.
Zumindest eine dieser Ungerechtigkeiten ist jedoch noch unsichtbarer geworden als davor – die Haus-, Sorge-, Pflege- und Familienarbeit. Wir nennen sie „Care-Arbeit“, denn es geht dabei um Fürsorge für und Sorge um Mitmenschen. Es ist diejenige Arbeit, die soziale Kohärenz schafft, die unsere Gesellschaft zusammenhält, durch sie werden unsere Kinder ernährt, gepflegt, versorgt, erzogen und gebildet. Sie ist nötig, um ältere und pflegebedürftige Mitglieder unserer Gesellschaft zu pflegen, zu versorgen und ihnen ein menschenwürdiges Altern zu ermöglichen. Sie ist aber auch jene Arbeit, aufgrund derer der eigene Partner gewaschene Wäsche und einen vollen Magen hat und sich keine Sorgen über die Organisationsarbeit („mental load“) eines Haushaltes machen muss. Care-Arbeit wird tagtäglich sowohl bezahlt als auch unbezahlt erbracht. Dort, wo sie bezahlt wird, ist diese Bezahlung meist gering, die Arbeitsbedingungen für die psychische und physische Belastung sind unzureichend und die gesellschaftliche Wertschätzung ist minder. Im unbezahlten Bereich bleibt die Arbeit komplett unsichtbar, ist nie wirklich abgeschlossen und nicht wertgeschätzt – weder von den anderen Haushaltsmitgliedern noch von der Gesellschaft: Sie wird nicht in Statistiken erhoben und gilt ohnehin nicht als Arbeit, weil die Tätigkeiten ja „aus Liebe“ gemacht werden. In beiden Bereichen wird sie vorrangig von Frauen erbracht.
Wir kannten die Tendenz aus bisherigen Wirtschaftskrisen, sie bringen Re-Privatisierung von Care- Arbeit mit sich: Wenn Haushalte es sich nicht mehr leisten können oder der Staat Leistungen einspart, immer dann springen Frauen unbezahlt ein. In dieser Krise aber hat das ein bislang ungesehenes Ausmaß angenommen: die de facto Kindergärten- und Schulschließungen, die schwierige Betreuungssituation von Älteren hat dazu geführt, dass Frauen diese Arbeit im eigenen Haushalt übernommen haben. Und so wurde sie auf zwei Ebenen unsichtbar – es gab kaum bzw. keine politische Diskussion um die Arbeits- und Gesundheitsbedingungen der bezahlten Care-Arbeit, und gar keine zur unbezahlten. Vielmehr zeichnet sich diese Krise in Österreich durch eine völlige De-Thematisierung aus.
Wie politisch das Private tatsächlich ist, das zeigt uns diese Krise in ungeheurem Ausmaß – wir müssten nur hinsehen!
Katharina Mader ist Assistenzprofessorin am Institut für Heterodoxe Ökonomie der WU Wien. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Feministische und Politische Ökonomie, Care-Ökonomie sowie Wirtschaftspolitik und Gender.