von Maria Vogt, Biobäuerin im Weinviertel. Artikel zuerst erschienen in der Zeitschrift der ÖBV-Via Campesina „Bäuerliche Zukunft“.
Wie würden wohl Gesellschaften, Wirtschaft, Bauernhöfe funktionieren ohne Frauen? Ohne anpackende, ver-sorgende, umsichtige, zuvorkommende, pflegende, … Töchter, Schwestern, Mütter, Großmütter, Partnerinnen, usw.? Ohne mich?
Frauen übernehmen und leisten den Großteil der Sorge-Arbeit. Haushalt, Kinder, alte Menschen pflegen, dem Mann den Rücken frei halten, Einspringen, wo Not am „Mann“ ist, usw.
An manchen Tagen und in besonderen Zeiten werden Frauen dafür bedankt, hoch gelobt und als Heldinnen des Alltags gefeiert. Und damit auch in ihren Rollen bestärkt. Lebensmuster, die frau ganz „natürlich“ von klein auf mit bekommt, sich daran orientiert, zeitweise auch dagegen rebelliert, aber schließlich gilt es als normal, dass Frauen diese systemerhaltenden Arbeiten übernehmen. Bei Frauen kommt dies zur Erwerbsarbeit dazu und damit sind sie arbeitsmäßig oft überlastet, empfinden die wiederkehrenden, nie endenden Tätigkeiten als Hamsterrad. Auch wenn viele Frauen diese Arbeiten mit Hingabe und wie selbstverständlich machen, es bleibt über viele Jahre keine Zeit für eigene Weiterentwicklung und Veränderung, für politisches Engagement. Systemerhalterinnen für eine, vom Kapitalismus geprägte, Wirtschafts- und Arbeitswelt? Bei der in immer kürzerer Zeit immer mehr erwirtschaftet werden soll, die Lebensgrundlagen verschmutzt und verbraucht, Natur, Tiere und Menschen ausgebeutet. Ein System, das weder demokratisch noch zukunftsfähig ist. Die propagierte „Leistungsgesellschaft“ verlangt von den arbeitenden Menschen, meist Männern, den Großteil ihrer Tageszeit der Erwerbsarbeit zu widmen. Vereinbarung von Beruf und Familie ist da bei Männern kaum ein Thema. Auch in der Landwirtschaft. Die Frau macht den „Rest“. Bezahlt versus unbezahlt, wertgeschätzt versus ungesehen. Oder die Sorge-Arbeit wird ausgelagert, wieder von Frauen gemacht und schlecht bezahlt.
Loslassen und Platz machen…
Aber wann ist es genug? Wann reicht‘s den Frauen? Wann gibt‘s den großen Frauenstreik? Wann sind die Kinder (und auch der Mann) erwachsen genug, eigenständig ihre Bereiche zu pflegen, für sich selbst und andere zu sorgen? Ich weiß, wenn alles so gut eingespielt ist und läuft, fällt es nicht leicht, sich zurück zu nehmen. Es bedeutet auch Macht ab zu geben, die übernommene Verantwortung los zu lassen, auf zu teilen, oder auch manche Bereiche ganz „brach liegen zu lassen“. Aus zu halten, dass nicht alles tip-top ist. Vielleicht kommt dann jemand anderer im Haus auf die Idee sauber zu machen, die Oma zu besuchen, einen Kuchen zu backen oder zur Schulveranstaltung der Enkel-Kinder zu gehen. Ich meine, es liegt auch an uns Frauen, den anderen in Haus und Hof diese Arbeiten und Eigenverantwortung zu zumuten. Dafür braucht es Geduld und die Möglichkeit, Fehler machen zu dürfen. Und Visionen! Denn, wollen wir überhaupt diese Ungleichverteilung der Arbeit und das System dahinter aufrecht erhalten?
…für ein gutes Leben für Alle
Schließlich geht Sorge uns alle an. Es umfasst das ganze Leben, alle Menschen, Tiere, die Natur. Wir sind von Anfang an abhängig von sorgenden Menschen, voneinander, von der Natur. Um die Sorge-Arbeit zwischen den Geschlechtern auf zu teilen, brauchen wir auch gesellschaftliche Rahmenbedingungen. Eine neue Arbeitskultur, in der neben der Erwerbsarbeit auch sorgende Tätigkeiten als wertvoll und notwendig anerkannt und damit sichtbar werden. Wir in der Landwirtschaft Tätigen, haben und hätten hier eine bessere Ausgangsbasis als in vielen anderen Berufen. Denn Erwerbs- und Sorge-Arbeit können hier gut miteinander verbunden, ineinander über gehen, auch bei Männern. In einer solidarische Gesellschaft und Wirtschaft sorgen wir füreinander und miteinander.
Also, Schwestern, Groß-Mütter, Töchter, Ehefrauen, … ohne uns geht‘s nicht! Darum runter vom Sockel und auf die Barrikaden steigen*, ihr Frauen!
* Synomyme: auflehnen, aufspringen, aufstehen gegen, aus den federn kriechen, das Bett verlassen, Protest erheben, rebellieren, revoltieren, sich aufbäumen, sich aufraffen, sich aufrichten, sich empören, sich erheben, sich sträuben, sich von den Plätzen erheben, sich widersetzen, Sturm laufen, aufbegehren.